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Identitätsdiebstahl Teil 4 - Beispiele aus der Praxis

Dass der "Identitätsdiebstahl" ja eigentlich gar keine Diebstahl ist habe ich im ersten Teil erklärt. Im zweiten Teil ging es um drei Möglichkeiten, Identität zu "stehlen": Phishing, Ködern und kompromittierte (Web-)Server. Und im dritten Teil kamen mit Spyware und einfachem Anmelden zwei weitere Möglichkeiten dazu. Außerdem gab es erste Beispiele dafür, wie ein Identitätsmissbrauch erkannt werden kann. In dieser Folge gibt es einige Beispiele aus der Praxis.

Identitätsmissbrauch - Beispiele aus der Praxis

Ein gutes Beispiel für die Folgen eines Identitätsmissbrauchs lieferte 2009 ganz unfreiwillig die Journalistin Tina Groll. Kriminelle bestellten unter ihrem Namen und mit der Angabe ihres Geburtsdatums Waren im Wert von vielen Tausend Euro und ließen sie an Adressen liefern, an denen sie die Lieferungen in Empfang nehmen konnten. Über ihre Erfahrungen hat Tina Groll in mehreren Artikeln auf Zeit Online ausführlich berichtet.

Da die Kriminellen die Waren natürlich nicht bezahlten, schalteten die geprellten Verkäufer Inkasso-Büros ein, die die echte Tina Groll fanden. Erst durch die dann anlaufenden Maßnahmen wie Mahnschreiben etc. erfuhr Tina Groll von dem Identitätsmissbrauch. Danach musste sie unberechtigte Forderungen abwehren - und sich mit Auskunfteien herum ärgern, die die falschen Einträge nur sehr zögerlich oder auch gar nicht löschten, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Und auch als Tina Groll dachte, das Ganze wäre längst ausgestanden, tauchten noch Probleme auf: Anfang Juli 2014 erfuhr sie durch eine Schufa-Selbstauskunft, das bereits Ende November 2013 ein Inkassounternehmen eine Forderung in Höhe von fast 1.000 Euro bei der Schufa gemeldet hatte. Eine Alt-Forderung aus dem Jahr 2009 und Folge des Identitätsmissbrauchs. Ursache dafür war Schlamperei beim Inkassounternehmen und ein merkwürdiger Umgang mit Alt-Forderungen bei der Schufa. Und damit war das Ganze noch lange nicht ausgestanden, die Folgen des Identitätsmissbrauchs tauchten immer mal wieder auf.

Weitere Informationen sowohl zu ihrem Fall als auch zum Thema allgemein hat Tina Groll auf ihrer Website identitaetsdiebstahl.info gesammelt.

Angriffsziel Personalausweis-Scan

Auch Julius Stucke vom Deutschlandradio wurde Opfer eines Identitätsmissbrauchs. Im Sommer 2014 bekam er eine Mahnung für eine unbezahlte Rechnung für eine Sitzecke, die er nie gekauft hat. Darauf folgte eine Mahnungen für einen nie abgeschlossenen Handyvertrag. Eine Schufa-Selbstauskunft bracht noch etliche weitere Missbrauchsfälle ans Licht.

Sein Bericht ist sehr aufschlussreich, vor allem, weil er auch zeigt, wie Kriminelle an Ausweiskopien ihrer Opfer gelangen: Sie tun so, als wollten sie eine Wohnung vermieten oder etwas verkaufen, und während der online durchgeführten Verhandlungen bitten sie um einen Scan des Personalausweises. Damit hat der Kriminelle schon ein Ziel erreicht. Danach versucht er noch, sein Opfer zu einer Vorauszahlung zu bewegen - das Verbrechen soll sich ja auch sofort lohnen.

Falls jemand von Ihnen einen Scan oder eine Kopie Ihres Personalausweises haben wollte konnten Sie bis Juli 2017 in den meisten Fällen einfach ablehnen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (zum Beispiel Banken gemäß Geldwäschegesetz, Telekommunikationsanbieter bei Handy-Verträgen gemäß Telekommunikationsgesetz) war das Scannen oder Kopieren des Personalausweises verboten.

Zum 15.7.2017 wurden §20 des Personalausweisgesetzes und §18 des Passgesetzes geändert, seitdem sind Kopien meistens erlaubt. Und zwar

  • wenn Sie die Kopie selbst anfertigen oder anfertigen lassen
  • und sie dauerhaft als Kopie erkennbar ist.

Sie dürfen vor der Weitergabe die Daten, die den Empfänger nichts angehen, schwärzen. Was Sie auch tun sollten, um einen Missbrauch vorzubeugen.

Auch die Verwendung der Kopien ist geregelt:

  • Nur Sie dürfen die Kopie zur Verwendung weitergeben (aber kein Dritter eine von Ihnen erhaltene Kopie),
  • und wenn personenbezogene Daten aus dem Personalausweis erhoben oder verarbeitet werden ist das nur mit Ihrer Erlaubnis zulässig.

Offline-Identitätsmissbrauch - Zumindest in Frankreich äußerst einfach

Einen besonders krassen Fall von Identitätsmissbrauch gab es 2012 in Frankreich: Chalid H. verlor erst seinen Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer, dann sollte er Schmerzensgeld wegen schwerer Körperverletzung an sechs Polizisten zahlen. Ohne sich irgend einer Schuld bewusst zu sein.

Erst als sich ein Anwalt des Falls annimmt und einen "Identitätsvergleich" durchsetzt kommt heraus, dass ein anderer Chalid H.s Identität angenommen hat. Ein Nachbar und Freund hatte seinen Namen, Adresse und Geburtsdatum angegeben, nachdem er von der Polizei betrunken in einem gestohlenen Wagen angehalten und nach kurzer Flucht und heftigen Widerstand verhaftet worden war. Der Nachbar wurde in einem Schnellverfahren zu 2 Monaten Haft verurteilt, seine Identität aber nie geprüft. Er musste zwar seine Fingerabdrücke abgeben, sein Ausweis oder Führerschein hat aber niemanden interessiert.

Nun sollte man annehmen, dass nach dem Identitätsvergleich alles wieder in Ordnung käme, aber das ist ein Irrtum. Chalid H. litt auch 2015 noch unter den falschen Informationen, die über ihn im Umlauf sind. So weigerte sich die Präfektur, ihm den grundlos abgenommenen Führerschein zurück zu geben. Er musste ihn neu machen und vorher wegen seiner Trunkenheitsfahrt zum "Idiotentest". Bei einer Sicherheitsüberprüfung seines Arbeitgebers wurde ihm die Weiterarbeit untersagt, weil er als gefährlicher Vorbestrafter galt - die Verurteilung stand, wenn auch um die folgende Revidierung ergänzt, nach wie vor in seinem Vorstrafenregister. Es dauerte 2 Wochen, bis der Irrtum aufgeklärt wurde und er wieder arbeiten konnte.

In der nächsten Folge geht es um die Frage, was die Opfer eines Identitätsmissbrauchs tun müssen.

Carsten Eilers

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Dipl.-Inform. Carsten Eilers am : Identitätsdiebstahl Teil 5 - Was muss man tun, wenn man zum Opfer wird?

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Dass der &quot;Identitätsdiebstahl&quot; ja eigentlich gar keine Diebstahl ist habe ich im ersten Teil erklärt. Im zweiten und dritten Teil ging es um verschiedene Möglichkeiten, Identität zu &quot;stehlen&quot;. Und im vierten Teil habe ic