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Virenscanner ignorieren einen Schädling, und Facebook überwacht Chats

In der vorigen Woche schrieb ich ja über die von Kaspersky als "Schadsoftware" angeprangerte App in den App Stores von Google und Apple. Generell bin ich immer noch der Ansicht, dass es sich bei dieser App nicht wirklich um Schadsoftware handelt. Aber nehmen wir mal an, ein Programm, dass das Adressbuch des Benutzers an einen Server sendet und dann an die darin gespeicherten Telefonnummern eine SMS mit Eigenwerbung schickt, ist Schadsoftware - wie müsste man dann die Tatsachen bewerten, die ich im folgenden aufzähle?

Datensammelnder Schädling wird von Virenscannern nicht gemeldet

Ein Programm ...

  • ... verteilt die Mobiltelefonnummer an alle "Freunde" des Benutzers, obwohl die Nummer eigentlich nur als alternative Kontaktmöglichkeit für den Fall angegeben wurde, dass ein E-Mail-Kontakt nicht möglich ist.
  • ... bzw. dessen Entwickler weigert sich, den Benutzer über alle über ihn gesammelten Daten zu informieren - obwohl der Benutzer laut Datenschutzrecht einen Anspruch auf diese Auskunft hat.
  • ... veröffentlicht Daten der Benutzer ohne deren Zustimmung auf seiner Website.
  • ... speichert angeblich gelöschte Fotos für mindestens drei Jahre auf den eigenen Servern, so dass zumindest jeder, der den Link zu so einem Foto kennt, auf das Foto zugreifen kann. Vom Programmentwickler selbst ganz zu schweigen.
  • ... ändert die vom Programm verwendete Default-E-Mail-Adresse der Benutzer auf eine Adresse der eigenen Domain.
  • ... verändert die Adressbücher zumindest eines Teils der Benutzer so, dass sie danach die zuvor geänderte Default-Adresse statt der ursprünglich für die Kontakte gespeicherten Adresse verwenden. Das führt z.B. dazu, das geschäftliche E-Mails nicht an die geschäftliche E-Mail-Adresse des Kontakts gesendet werden, sondern an die Adresse beim Programmentwickler. Mit anderen Worten: Die E-Mails erreichen den eigentlichen Empfänger u.U. gar nicht, da er nicht mit E-Mails an diese nicht von ihm genutzte Adresse rechnet, und der Programmentwickler erhält nicht für ihn bestimmte Informationen.

Und das sind nur die Vorfälle aus den vergangenen 12 Monaten. Klarer Fall von Schadsoftware, oder etwa nicht? Konsequenterweise müsste Kasperskys Virenscanner die Benutzer vor dieser Programm warnen und den Zugriff auf die zugehörige Website verhindern, richtig? Leider ist das nicht so. Jedenfalls wäre mir nicht bekannt, dass Kaspersky oder irgend ein anderer Hersteller von Virenscannern etc. dieses Programm als Schädlich erkennt. Falls Sie sich jetzt wundern, wieso Sie niemand vor diesem gefährlichen Programm warnt: Also ich habe das schon des öfteren getan. Das besagte Programm ist nämlich kein eigentliches Programm, sondern Facebook.

Und wenn Sie jetzt sagen, dass das ja alles gar nicht so schlimm ist, nur zur Erinnerung: Laut Kaspersky ist eine Smartphone-App, die das Adressbuch der Benutzer auf ihren Server lädt und SMS an die Kontakte darin schickt, Schadsoftware.
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich vor einiger Zeit Facebook-Einladungen von Leuten bekommen habe, mit denen ich eigentlich nichts weiter zu tun hatte als z.B. etwas von ihnen auf eBay gekauft zu haben. Dadurch war meine E-Mail-Adresse in deren Adressbuch gelandet, und Facebook hatte diese Adressbücher auf die eigenen Server geladen und Einladungen an die Einträge darin geschickt (was inzwischen für rechtswidrig erklärt wurde).
Das allein ist, wenn man Kasperskys Messlatte für Smartphone-Apps anlegt, doch wohl schon ein eindeutiger Fall von Schadsoftware. Alles andere sind dann nur noch Tropfen in ein sowieso schon übergelaufenes Fass.

Ein weiterer Tropfen, und zwar ein ziemlich großer, ist gerade dazu gekommen:

Facebook überwacht Chats

Facebook überwacht alle Nachrichten und Chats der Benutzer mit einer speziellen Software, die beim Erkennen bestimmter Schlüsselbegriffe Facebook-Mitarbeiter informiert, die dann die Kommunikation prüfen und ggf. die zuständigen Strafermittlungsbehörden informieren. Herausgekommen ist das Ganze, weil die Software im März einen Mann Anfang 30 erwischte, der sich im Chat mit einer 13jährigen verabredet hatte. Ein sexueller Hintergrund wird von Facebook angedeutet - bewiesen ist bisher anscheinend nichts und der Beschuldigte streitet alles ab. Im Sinne der Unschuldsvermutung sollte man also vielleicht erst mal ein mögliches Urteil abwarten, bevor man den Erfolg feiert. Aber egal wie dieser Fall ausgeht, er macht das Argumentieren gegen diese Überwachung schwierig, denn die Befürworter habe nun das Totschlagargument "Denkt an die Kinder" schon frei Haus geliefert bekommen. Aber denkt Facebook wirklich an die Kinder?

Ja, Facebook denkt an die Kinder. Aber vermutlich aus einem anderen Grund, als die "Denkt an die Kinder"-Rufer es gerne möchten. Denn die Überwachung erfolgt, um eine "Kinderfreundliche" Umgebung zu schaffen, damit Kinder unter 13 Jahren sich überhaupt bei Facebook anmelden dürfen. Und auf die hat es Facebook ja als nächstes abgesehen. Ohne die Überwachung wäre die weitere Expansion von Facebook also gefährdet.

Auf die Überwachung an sich werde ich gar nicht weiter eingehen. Es lohnt sich nicht. Wer bisher noch nicht gemerkt hat, was bei Facebook los ist, wird sich auch an der Chat-Überwachung nicht stören. Und alle anderen werden um Facebook einen weiten Bogen machen oder haben akzeptiert, dass es so etwas wie Privatsphäre bei Facebook nicht gibt. Wie auch, wenn schon der Chef keinen Wert darauf legt?

Carsten Eilers

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