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Jubiläen

Der erste PC-Virus ist 25 Jahre alt. Auf einen Glückwunsch für Brain verzichte ich verständlicherweise. Da gratuliere ich lieber Windows, das ist zwar schon seit zwei Monaten 25 Jahre alt, aber so genau will ich es mal nicht nehmen. Ebenfalls 25 Jahre als sind AIX von IBM und die Internet Engineering Task Force (IETF) - auch hier ein "Herzlichen Glückwunsch!". Etwas älter ist das Volkszählungsurteil.

Ein Viertel Jahrhundert IT-Geschichte

Von Brain unter DOS zu Stuxnet unter Windows 7 war es ein weiter Weg - sowohl für die Schädlinge als auch für Windows und die IT insgesamt. Nur mal zum Vergleich: Brain nutzte 5 1/4" Disketten. Die waren damals schon eine Verbesserung zu ihren 8" großen Vorgängern, die den Namen "Floppy Disk" vollkommen zu Recht trugen. Auf die Disketten passten 360 KB oder 1,2 MB - so viel Platz brauchen heute auch schon mal die Schädlinge. Gut, dass die USB-Sticks, die Stuxnet u.a. zur Verbreitung nutzt, deutlich größer sind.

Der Weg durchs Internet wäre Brain versperrt gewesen. Das gab es damals zwar schon, aber nur in rudimentärer Form: 1985 wurden die ersten Domains registriert. Brain hätte sich also nur über Mailboxen verbreiten können. Die sind übrigens auch im Jahr 2011 noch nützlich. Z.B., als Alternative wenn ein Möchtegern-Diktator-bleiben in seinem Land das Internet abschalten lässt. Na, wenn das unsere Innenpolitiker merken, gibt es sicher bald die ersten abstrusen Ideen, wieso man Mailboxen verbieten muss. Ob da dann auch Kindesmissbrauch drin statt findet? Alternativ könnte natürlich auch Stuxnet als Buhmann dienen, Terrorismus ist ja in der Hinsicht sehr beliebt. Man könnte natürlich auch versuchen, die notwendigen Akustikkoppler oder Modem aus vorgeschobenen technischen Gründen zu reglementieren - aber das hat ja schon damals nicht funktioniert.

Aber worauf ich eigentlich hinaus will: Ist es nicht (je nach Geschmack) erstaunlich oder auch erschreckend, wie viel in der IT in diesen 25 Jahren passiert ist? Wer hätte sich damals die heutigen Zustände vorstellen können? Graham Cluley von Sophos hat im August 2010 über "Computer crime in the future (as predicted in 1981)" geschrieben (weitere interessante Rückblicke auf Vorhersagen gibt es übrigens im Paleofuture Blog, z.B. "Edison's Predictions for the Year 2011" aus dem Jahr 1911). Möchte irgend jemand eine Vorhersage wagen, wie die Schadsoftware in 25 Jahren aussieht? Oder das dann aktuelle Windows? Man kann sich nur blamieren...

Und nun ein Wechsel zu einem ganz anderen Thema. Oder auch nicht.

Ein gutes Viertel Jahrhundert Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

Etwas älter als die obigen Jubilare ist das Volkszählungsurteil, das es schon auf 28 Jahre gebracht hat und in dem das "Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung" formuliert wird. Die geht sogar so weit, das heutzutage mancher in den Social Networks freiwillig mehr von sich preis gibt, als die Bundesregierung in der ursprünglichen Fassung der Volkszählung. Der Unterschied ist eben, dass das freiwillig geschieht, während man bei der Volkszählung zum Datenstriptease gezwungen werden sollte. Der ist inzwischen sogar so sehr normal, das kaum jemand sich darüber aufregt, dass es wieder eine Volkszählung gibt. Merkwürdig, oder? Wahrscheinlich sind wir von unserer Regierung schon so viele Zumutungen gewohnt, dass das eine kleinere Sünde ist, die übersehen wird.

Diesmal war die Verfassungsbeschwerde erfolglos, sie wurde gar nicht erst angenommen, da sie dem Bundesverfassungsgericht zu allgemein war. Ob im Gegenzug den Volkszählern auch allgemeine Informationen reichen? Also wir haben da ein Haus, das hat außen 4 Wände, ein paar Fenster drin, ... - das sollte doch reichen, oder? Nein? Merkwürdig.

Und wie ist das eigentlich, wenn die Volkszählung von der NPD durchgeführtgekapert wird - dann darf man die Befragung doch wohl ablehnen und den Fragebogen ausgefüllt per Post zurück zu schicken? Anscheinend ist das nicht so eindeutig möglich. Mal abgesehen davon, das ich immer noch selbst entscheide, wenn ich ins Haus bitte und wen ich gerne im Regen stehen lasse - wie vertrauenswürdig sind Daten, die zwischen Tür und Angel erhoben wurden? Übrigens verdanken wir die Volkszählung (genauso wie die Vorratsdatenspeicherung und vielen weiteren Unsinn) der EU, ebenso eine regelmäßige Wiederholung alle 10 Jahre. Dass Deutschland dann bei der Umsetzung übers Ziel hinausschießt, ist ja leider schon Tradition. Eigentlich ist es ein Wunder, dass das nur bei den Fragen und nicht bei den Zeiträumen passiert.

Aber vermutlich ist das alles sowieso egal, wenn man die Fakten betrachtet. Das Volkszählungsurteil steht gegen eine Gesellschaftsordnung

"... in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß."

und die haben wir ja fast schon, oder? Google, Social Networks, ... - wer weiß schon noch, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über einen weiß? Vielleicht fällt ja schon bei der nächsten Volkszählung die Befragung weg und wird durch eine Google-Abfrage ersetzt, das ist deutlich billiger und wahrscheinlich genau so aussagekräftig. 1984 ist eben schon lange vorbei, heute sind wir teilweise schon viel weiter...

Carsten Eilers

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