Skip to content

Facebook verbessert die Datenschutz-Einstellungen, nicht den Datenschutz

Facebook hat die Datenschutz-Einstellungen geändert, ohne dass sich am Datenschutz etwas ändert. Denn abgesehen von der neuen Anordnung der Einstellungen bleibt fast alles beim Alten: Per Default sind die Einstellungen ziemlich freizügig (um es mal höflich zu formulieren). Zumindest verspricht Facebook, dass die gewählten Einstellungen auch für zukünftige Erweiterungen übernommen werden sollen - wer also einmal seinen Account abgedichtet hat, muss das nun nicht mehr bei jeder neuen Erweiterung erneut tun.

Wenn Mark Zuckerberg so sehr davon überzeugt ist, dass die meisten Mitglieder ihre Daten verbreiten wollen, wieso gibt er ihnen dann nicht die Möglichkeit, das aktiv kund zu tun, statt die, die dagegen sind, zum ausschalten zu zwingen? Was ist so schwierig an einer vielfach gewünschten "opt-in"-Lösung zur Weitergabe der Daten? Anscheinend ist man bei Facebook der Meinung, der Beitritt zu Facebook sei ein "opt-in" zur vollkommenen Freigabe der Daten. Nun, in gewisser Weise ist es das. Und es könnte gut sein, dass man bei Facebook am Ende des heutigen Tages (31. Mai) ziemlich dumm aus der Wäsche guckt, wenn viele Benutzer ein finales "opt-out" wählen - am "Quit Facebook Day".

Neue Einstellungen auf die Schnelle?

Am 24. Mai hat Mark Zuckerberg angekündigt, dass die Datenschutz-Einstellungen vereinfacht werden sollen, und schon am 26. Mai wurden die neuen Einstellungen präsentiert. Laut Mark Zuckerberg wurden die Datenschutz-Einstellungen bisher immer dann angepasst, wenn neue Funktionen implementiert wurden. Und dabei wurden die neuen Einstellungen dann auch in der entsprechenden Funktion integriert, so dass es zum bekannten Wildwuchs mit den Einstellungen an 1001 verschiedenen Orten kam. So einen Wildwuchs dann auf die Schnelle auszulichten und alle Einstellungen an einen Platz zusammen zu führen ist ziemlich schwierig. Das hat man auch bei Facebook nicht in 2 Tagen geschafft, an den neuen Einstellungen wurde schon länger gearbeitet. Allerdings hat man nicht ganz verstanden, dass die Verteilung und Unübersichtlichkeit der Einstellungen nur ein Grund für die Kritiken war. Deutlich schlimmer sind die Voreinstellungen nach dem Motto "Alles freigeben, was sich freigeben lässt, alles abgreifen, was sich abgreifen lässt" - und daran hat sich nichts geändert.

Alles nur Kosmetik?

Was ändert sich denn nun? Erst mal eigentlich nichts, außer der Zusammenfassung der bisher verstreuten Einstellungen an einem Ort. Das erinnert mich an einen gewissen Schokoriegel, bei dem sich zwar der Name änderte, aber "… sonst ändert sich nix". Bei Facebook gibt es allerdings noch zwei weitere Änderungen: Die im April und Dezember weggefallenen Einstellungen sind wieder vorhanden. Damit ist es nun wieder möglich, die Informationen über eigenen Vorlieben, Interessen, Ausbildung etc. den eigenen Vorstellungen entsprechend frei zu geben oder zu sperren sowie den Zugriff von Anwendungen und Websites auf die eigenen Daten komplett zu sperren.

Das klingt gut? Ja, und teilweise ist es das sogar, zumindest was die "neuen" zusätzlichen Einstellungen betrifft. Allerdings geben die Default-Einstellungen nach wie vor viel zu viele Daten frei, was auch die Electronic Frontier Foundation bemängelt, die eine Anleitung zum Absichern der neuen Datenschutz-Einstellungen veröffentlicht hat. Eine deutsche Anleitung gibt es z.B. auf Spiegel online.

Außerdem haben z.B. die von Freunden installierten Anwendungen weiterhin vollen Zugriff auf die eigenen Daten - wenn die Freunde das erlauben. Darum Vorsicht bei der Freigabe von Daten - es sind nicht (nur) die eigenen, sondern auch die der Freunde, die man da einer mehr oder weniger vertrauenswürdigen Anwendung in den Rachen wirft. Ginge es Facebook wirklich um den Schutz der Benutzer, hätten sie so eine Funktion gar nicht implementieren dürfen oder sie zumindest von der aktiven Zustimmung der Betroffenen abhängig machen müssen. Meine Freunde dürfen entscheiden, welche Anwendungen auf meine Daten zugreifen dürfen? Wer kommt auf so eine Idee? Klar, Mark "Privatsphäre ist unwichtig" Zuckerberg - aber wieso hat ihm niemand bei Facebook gesagt, dass das im normalen Leben nicht so ist? Oder haben etwa die Homebanking-Programme seiner Real-Life-Freunde Zugriff auf seine Kontoauszüge?

"Alle" bedeutet wirklich "Alle"

Was vielen Benutzern wohl auch immer noch nicht klar ist: Eine Freigabe der Daten für "Alle" bedeutet nicht für "Alle Facebook-Benutzer", sondern für "Alle Internet-Benutzer", da die Daten dann auch von den Suchmaschinen erfasst werden. Vielleicht sollte Facebook auch da mal über eine Änderung nachdenken, denn es ist kein Problem, Suchmaschinen auszusperren. Für die Benutzer, die auch über Google und Co. gefunden werden wollen, könnte man dann eine per opt-in zu aktivierende zusätzliche Profilseite bereit stellen, auf die die Suchmaschinen Zugriff haben.

Die Politik wird aktiv...

... und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner kündigt "mehr Schutz und Sicherheit für User" an. Gute Idee, nur: Wieso sollte sich ein US-Unternehmen ausgerechnet für deutsche Regelungen interessieren? Weil es Kunden aus Deutschland hat? Dann müsste es genau so auch die Gesetze aller anderen Länder beachten, aus denen es Benutzer hat. Möchte das wirklich irgend jemand? Diese Diskussion ist zwar nicht so alt wie das Internet, aber zumindest so alt wie dessen kommerzielle Nutzung. Wenn man sich darauf einlassen möchte - viel Vergnügen. Sicher kann man darüber auf einem G20-Gipfel reden und nach einer einheitlichen Regelung suchen, aber mehr als eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner wird dabei nicht rauskommen, und auch das erst in einigen Jahren. Außerdem dürfte Frau Aigner eher früher als später Gegenwind aus dem Innenministerium bekommen, denn Datenschutz, der durch das zügige Löschen oder sogar den Verzicht auf das Speichern von Daten realisiert wird, wird dort i.A. als extreme Gefahr für unsere Sicherheit betrachtet.

Eine technische Lösung...

... für ein soziales Problem? Eigentlich argumentiert man ja, dass man soziale Probleme nicht mit technischen Lösungen angehen sollte, in diesem Fall ist das soziale Problem aber eigentlich auch ein technisches: Würden die Datenberge, auf denen Facebook sitzt und die man dort immer weiter anhäuft, gar nicht erst anfallen, gäbe es auch keine Möglichkeit zum Missbrauch. Diaspora soll genau das leisten, indem die Daten in einem dezentralen Netz auf den Rechnern der Benutzer und damit unter deren Kontrolle bleiben. Die 'seeds' genannten Knoten sammeln die Informationen des Benutzers und verknüpfen sie ggf. mit denen seiner Freunde, mit denen er auch direkt kommunizieren kann. Möchte ein Benutzer nicht mehr am Social Network teilnehmen, deaktiviert er seinen 'seed' und ist raus, ohne seine Daten zurück zu lassen, wie es beim Austritt aus einem zentral verwalteten System wie Facebook ist.

Zum Abschluss noch ein

Nachtrag zum Standpunkt der vorigen Woche

In der vorigen Woche verlinkte ich zu einem Bericht des Wall Street Journal über die Weitergabe von Benutzernamen und -IDs an die Werbepartner von Facebook. Ben Edelman, der dieses Datenleck entdeckt hat, hat seinen Bericht aktualisiert: Die Schwachstelle wurde zwar behoben (und die Erklärungen dazu dürften die meisten Nicht-Informatiker schnell vergraulen), Facebook spielt den Vorfall aber herunter und erweckt den Eindruck, es sei eher ein theoretisches Problem, während Edelman die Übertragung der Daten eindeutig bestätigen konnte.

Allgemein ist ein entsprechendes Datenleck, dass durch die Übertragung eines URL mit darin enthaltenen vertraulichen Daten in einem Referer-Header entstanden ist, ein bekanntes Problem. U.A. deshalb haben vertrauliche Daten ja auch nichts im URL zu suchen (ein weiterer Grund ist das Speichern des URL in Logfiles).

Carsten Eilers

Trackbacks

Dipl.-Inform. Carsten Eilers am : Neues zu Stuxnet, Android-Trojanern, USB-Keyloggern und Facebook

Vorschau anzeigen
Es gab in der vorigen Woche einiges, was einen kurzen Kommentar wert ist, aber nichts, bei dem sich wirklich eine längere Auseinandersetzung damit lohnt. Also gibt es mal wieder einen kommentierten Überblick über die Vorwoche. Noch g

Dipl.-Inform. Carsten Eilers am : Virenscanner ignorieren einen Schädling, und Facebook überwacht Chats

Vorschau anzeigen
In der vorigen Woche schrieb ich ja über die von Kaspersky als "Schadsoftware" angeprangerte App in den App Stores von Google und Apple. Generell bin ich immer noch der Ansicht, dass es sich bei dieser App nicht wirklich um Schadsoftware hand